TETTENBORN UND DAS FERNSEHEN

  Ich hab mich niemals in meinem Leben um eine Stelle beworben. Ich wurde immer geholt. So auch hier. Ich bekam einen Brief vom ZDF, vom Intendanten Professor Holzamer. Er fragte an, ob ich bereit wäre, zu ihnen als stellvertretender Chefdramaturg zu kommen. Nun - das war ein Angebot - da musste man schon einmal nachdenken. Ich war zu dieser Zeit am Schiller-Theater, Berlin, Dramaturg mit Spielverpflichtungen . Und nun zum größten Sender Europas - in dieser Position -  - Barlog hatte mir gerade einen Zweijahresvertrag gegeben, aber er wollte mich freigeben, wenn ich dahin wollte. Ich sollte es mir ansehen. Das tat ich und entschied mich für das ZDF - jung genug für einen Wechsel war ich ja noch.

  Bald zeigte sich jedoch, dass die ZDF-Dramaturgie mir nicht ausreichte - Ich war nie ein Sesselfurzer. Und da tat sich mir ein Tor auf - Besser gesagt, da wurde mir ein Projekt in den Weg geschoben.  Es war eine 26-stündige japanische Fortsetzungsgeschichte. Ich gab ihr später den Namen 'BARFUSS DURCH DIE HÖLLE'. Ich ahnte damals nicht, auf was ich mich da einließ. Etliche Experten hatten schon einen großen Bogen um dieses Projekt gemacht. Außerdem - der Intendant persönlich hatte diese Serie wegen zu großer Brutalität abgelehnt. Diese Serie war jedoch gekauft - mit einer anderen gekoppelt.

  Es galt nun, für die Betroffenen Schadensabwendung zu betreiben. Dazu bedurfte es einen naiven, aktionsbereiten Streiters. Der war ich. Ich ließ mich darauf ein. Ein halbes Jahr habe ich daran in München gearbeitet. Das heißt, ich habe mir eine neue dramaturgische stimmige Ablaufgeschichte einfallen lassen und mich dabei auf, genau platzierte Schnitte eingelassen. Davon hatte ich jedoch noch keine Ahnung. Das lernte ich jedoch bald. Und - wie auch immer - schließlich hatte ich die Serie gekürzt auf sieben Folgen mit jeweils 90 Minuten.
  Der Film war noch in schwarz-weiß. Unerwarteterweise wurde es ein Straßenfeger. Wenn diese Filme liefen, dann waren die Straßen menschenleer und die Kneipen dicke voll. Fernseher gab es zu dieser Zeit noch nicht allzu viele. Es wurden Sitzungen verlegt und Veranstaltungen verschoben. Ich hatte gewonnen!!!
  Das schloss mit das Tor zum Aktiven endgültig auf. Und so wurde ich Redaktionsleiter in der Hauptabteilung 'Fernsehspiel und Film'. Meine Redaktion war für Serien verantwortlich - für Kaufserien aus dem Ausland, für Eigenproduktionen und Co-Produktionen mit ausländischen Firmen.

  Nach meinem 'Barfuss durch die Hölle'-Erfolg begann ich gleich stürmisch. 'BONANZA' war gefragt. Die Serie lief bei der ARD, wurde aber wegen Brutalität abgesetzt. Ich sah mir etliche Folgen der Serie an und wusste, das wird ein Riesenerfolg und von der Brutalität sah ich auch nicht viel und mit Schnitten ließ sich hier viel machen. Kurzum: Ich konnte meinen Sender dazu überreden. Wir haben mehr als 300 Episoden gesendet.

  Ich kann nur einige der Serien hier aufführen. Es gab deren viele, viele - Allein mein Sendevolumen war höher als das des SFB.

Ich wagte einiges - auch, weil es mich kribbelte. So gelang es mir, gegen große Widerstände eine Western-Serie ins Hauptabendprogramm zu bringen - 'HIGH CHAPPARAL'. Western liefen beim ZDF bis dahin nur so nebenbei. Der Erfolg gab mir Recht - und mehr Freiraum für anderes.

  Eine amerikanische Serie anderer Art holte ich mir ran. Ich gab ihr den Namen 'Die 2' - Tony Curtis und Roger Moore. Der Titel fiel mir in Cannes beim Fernsehfestival ein. Hier wagte ich es zum ersten Mal, den beiden Helden freche Sprüche in den Mund zu legen - nur diesen beiden. So nannten sie den Mundhygieneschutz der Operateure im OP 'Krümelschütz' oder auf die Frage: "Wie geht es Dir?" - die Antwort: "Oh, ich kann nicht besser klagen." Ich erfuhr, dass Jugendliche die frechen Sprüche mitschrieben und wollte hierzu auch von der alten, teils vergessenen deutsche Sprache etwas unterjubeln. Einiges blieb, anderes wurde nicht angenommen, wie 'Sie gingen selbdritt', ins Alltagsvokabular wurde ein Begriff genommen, den es nicht gab bis zu dieser Zeit - 'grübeln'.

  Die Kultserie 'RAUMSCHIFF ENTERPRISE' brachte ich auf den Bildschirm. Nicht von allen im Sender gern gesehen. Aber, wie immer, der Erfolg gab mir recht.

  Noch eine Serie sei hier angeführt, da sie geradezu spektakulär war. 'MIT SCHIRM, CHARME UND MELONE'. ich hatte der Serie diesen Namen gegeben, um klar zu machen, dass es sich hier nicht um etwas Krimi-Todernstes handelte, sondern um schwarzen Humor, englischen - und Leichtigkeit. Der Riesenerfolg dieser Serie bedarf keiner Beschreibung hier.







Das ist kein Kundendienst

So titelte die 'Bild+Funk' in ihrem Brief der Woche in der Ausgabe Nr.17 (25.4.-1.5.70), der die Aufmerksamkeit bzw. Aufregung über die Arbeit Tettenborns dokumentiert.

  '...Zuschauer, die Sie am liebsten in die Wüste schicken würden. Das ist um so erstaunlicher, da Sie als ZDF - Chefeinkäufer für unterhaltsame Serien doch eigentlich der Liebling des Fernseh-Publikums sein müßten.

  ...Innerhalb von acht Monaten haben Sie Ihren Kunden dreimal Helden und Abenteuer genommen...

  Sie haben 'Bonanza' mit den Cartwrights abgesetzt.

  Sie haben 'Daktari' mit Clarence und Judy vom Programm gestrichen.

  Sie haben 'High Chaparral' genauso unmotiviert von der Mattscheibe verbannt.

  In gut einem halben jahr werden Sie 'Big Valley' aus dem Programm nehmen. Und wieder werden Sie Tausende Zuschauer zu Ihren Feiden zählen können.

  Sie sollten sich und dem ZDF lieber Freude machen. Und genau das ist doch wohl auch Ihre Aufgabe.'

  Bob Borrink (Chef vom Dienst)

 

Die nebenstehende Antwort von Joachim Tettenborn wurde in der 'Bild+Funk' Nr.22 (30.5.-5.6.70) abgedruckt.



Pressestimmen

Bild+Funk 1972 (Teil 1)
Bild+Funk 1972 (Teil 1)
Bild+Funk 1972 (Teil 2)
Bild+Funk 1972 (Teil 2)
Bild+Funk Nr.9/1973
Bild+Funk Nr.9/1973
Husumer Nachrichten, 23.10.1987
Husumer Nachrichten, 23.10.1987


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Dieter Schenk über Tettenborn und SOKO 5113
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